Christuskirche

Geschichte der Christuskirche

Die Reformation der Kirche im 16. Jahrhundert wurde in Achern und seiner Umgebung von der fürstenbergischen und habsburgischen Herrschaft im Verein mit dem Fürstbischof von Straßburg behindert und letztlich auch verhindert. So kam der große Teil der Ortenau als ein geschlossenes römisch-katholisches Gebiet ins 19. Jahrhundert.

Keimzelle für eine evangelische Kirchengemeinde wurde die „Großherzoglich Badische Heil- und Pflegeanstalt Illenau“. 1701 war die Ortenau aus Habsburger Besitz in den der Markgrafen von Baden-Baden übergegangen, 1771 an deren evangelische Vettern von Baden-Durlach. Mit der Neuordnung des Reiches entstand das Großherzogtum Baden, um ehedem kurpfälzische protestantische Gebiete im Norden ebenso erweitert wie um römisch-katholische Stiftsländereien im Süden, und die junge Stadt Achern markierte seine geografische Mitte. Betrug die evangelische Bevölkerung in Baden nur ein gutes Drittel, so achtete doch der Landesherr auf eine Gleichstellung beider christlicher Kirchen in seinem Land, auch bei der Ausstattung der „Heil- und Pflegeanstalt Illenau“ mit zwei Pfarrstellen. Selbstverständlich erhielt die Anstalt einen gottesdienstlichen Raum, der offiziell erst 1843 nach evangelischem und 1844 nach römisch-katholischem Ritus geweiht wurde. Am 11.12.1842 wurde bereits ein erster Gottesdienst vom evangelischen Anstaltspfarrer Ernst Friedrich Fink (bis zu seinem Tod 1863 in Achern) gehalten. Wie die evangelischen Patienten – im Jahr 1852 nennt Pfarrer Fink 150 – so kamen auch evangelische Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger aus verschiedenen Teilen des Landes in die Illenau.

Ihre Angehörigen wohnten in der Stadt Achern oder in benachbarten Oberachern, wurden aber in den folgenden 50 Jahren vom jeweiligen Anstaltspfarrer – oder seinem Vikar – betreut, nahmen an den Gottesdiensten der Kranken teil und wurden auf dem Illenauer Friedhof zur letzten Ruhe gebettet.

Erwartung und Erholung

Die Erwartung des Anschlusses Acherns an die geplante Rheintal-Eisenbahn mag einen Einfluss gehabt haben auf die Entscheidung für Achern als Sitz der Heil- und Pflegeanstalt, ihre Verwirklichung ab 1844 bot erst die Grundlage für die Industrialisierung in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Neben verschiedenen kleineren Betrieben entstand 1886 die Glasfabrik mit einem großen Bedarf an Arbeitskräften. Aus allen Teilen Deutschlands kamen Glasmacher; unter ihnen auch zahlreiche Evangelische aus Württemberg, Nachfahren der Salzburger Emigranten; sie gaben dem Wachstum der evangelischen Gemeinde einen bemerkenswerten Schub. Es kamen zudem Erholung Suchende ins Acher- und ins Sasbach-Tal, für die evangelische Gottesdienste in Wohnungen (so in Sasbachwalden 1882) gehalten wurden, und immer mehr von ihnen, auch ehemalige Patienten, machten sich hier sesshaft. Sie lebten in einer ausgeprägten Diaspora-Situation und hatten deshalb das Bedürfnis, sich gegenüber der römisch-katholischen Mehrheit und unabhängig von der Illenau zu organisieren. Anfänge einer Loslösung sind fassbar unter dem fünften Pfarrer, Theodor Achtnich (1888–1897 in Achern).

Schon sein Vorgänger, Pfarrer Georg Hafner (1882–1888 in Achern), hatte sich 1884 an den Evangelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe gewandt und geschildert, dass die Arbeit inner- und außerhalb der Illenau von einer Person allein nicht bewältigt werden könne; Pfarrer Achtnich erneuerte diese Bitte mit Dringlichkeit und wurde 1890 durch Vikar Christian Heinrich Neu (bis 1892 in Achern) entlastet; eine vom Oberkirchenrat erlassene „Dienstverteilung“ regelte: Der Hausgeistliche sollte die Oberleitung sowie den Vorsitz im Kirchengemeinderat haben, den Gottesdienst in der Illenau und die Unterweisung der Konfirmanden erteilen, der Vikar sollte Religions-Unterricht halten und sich um die „Diasporiten“ in der Stadt und den umliegenden Orte und Villen bis nach Renchen und Lauf kümmern.

Die evangelischen Christen in und um Achern suchten nun eine eigene Form neben der Anstalts-Gemeinde, da sie einen anderen Hintergrund und auch andere Bedürfnisse hatten als die Menschen, die auf Zeit oder zeit Lebens in der Illenau untergebracht waren und dort eine Zwangs-Gemeinde bildeten. Der erste Schritt war der Zusammenschluss zu einer „Diaspora-Genossenschaft“ mit eigenem Vorstand innerhalb der Parochie Illenau, kirchenrechtlich allerdings ohne Verbindlichkeit. Nach einer Visitation kam am 20.1.1892 der „Bescheid“ des Oberkirchenrates, in der es heißt: „Die Diaspora-Gemeinde Achern ist die älteste unseres Landes. Ihre Gründung und langjährige Bedienung ging von Illenau aus.“ Dies ist als Anfang einer eigenen Stadt-Gemeinde neben der Illenau-Gemeinde zu sehen; sie umfasste das gesamte Acher- und das Sasbach-Tal und die davor liegenden Ortschaften. Zunächst waren sie noch pfarramtlich miteinander verbunden in der Person des Anstaltspfarrers Achtnich; die meiste Arbeit in ihr taten allerdings die Vikare, die als „Pastorationsgeistliche“ zur Unterstützung geschickt wurden.

Am 27.2.1892 meldete Vikar Neu nach Karlsruhe: „Soeben ist in hiesiger Stadt ein zweistöckiges Haus mit großem Garten, der genügend Raum für einen späteren Kirchbau bieten würde, auf dem Zwangsweg zum Verkauf angeboten worden.“ Damit kam ein weiteres Argument für eine Verselbständigung der Kirchengemeinde Achern auf: Neben dem Umfang der Arbeit, die von einem Pfarrer allein nicht mehr zu bewältigen sei, wurde mit einem eigenen Haus gelockt, das nicht nur den Pastoratsgeistlichen einen angemessenen Wohnraum geben würde, sondern auch noch die Aussicht eröffnete, eine eigene Kirche zu bauen. Noch im gleichen Jahr konnte das Haus und der Bauplatz erworben werden. Der Erste, der das neue Pfarrhaus beziehen konnte, war Heinrich Rothenhöfer, der als Pastoratsgeistlicher 1892–1895 Pfarrer Achtnich unterstützte.

Die nächsten Schritte

Die nächsten Schritte der jungen Gemeinde gingen in Richtung auf volle Selbständigkeit und einer eigenen Kirche für die Gemeindeglieder, die bis 1895 auf 510 angewachsen waren. Vikar Julius Schmidt (1895–1897 in Achern) schrieb am 12.11.1895 an den Oberkirchenrat: „Die Dienstanweisungen sind der Art, dass der Pastoratsgeistliche sich stets als Vikar seines Kollegen vorkommen muss.“ Die Lage ist „zwiespältig“, weil die Diasporagemeinde Achern keine eigene Kirche habe. 1891 hatte eine Visitation bereits auf die Notwendigkeit eines Kirchenbaus hingewiesen; der Gustav-Adolf-Verein, das Diaspora-Werk der Evangelischen Kirche, rief 1892 auf: „An die Evangelischen Badens und in den ganzen großen Gustav-Adolf-Verein ergeht die Bitte: Liebe Brüder und Schwestern, helft einer Gemeinschaft von 700 Seelen zu einer eigenen Kirche; helft, dass sie auch fürderhin einen eigenen Geistlichen behalten kann.“ 1895 beschloss der Oberkirchenrat eine landesweite Kollekte für den Kirchbau in Achern. Doch auf die Realisierung mussten die Gemeindeglieder noch mehr als ein Jahrzehnt warten. Die Pfarrstelle wurde mit Friedrich Brandt (1897–1926) neu besetzt, zugleich kam als neuer Pastoratsgeistlicher Vikar Hermann Zipse (1897–1899 in Achern); ihm folgte Wilhelm Schmidthenner (1899–1903 in Achern). In ihrer Zeit kochte das Projekt Kirchbau auf kleiner Flamme, hatten doch gerade die Pastoratsgeistlichen genug damit zu tun, die immer weiter anwachsende Gemeinde zu betreuen: 1903 waren es 955 allein in Achern, mit den umliegenden Ortschaften 1204.

Ein erster Erfolg

Ein erster Erfolg stellte sich ein, als am 17.3.1905 die Diasporagenossenschaft zur rechtlich selbständigen Kirchengemeinde erhoben wurde und sich umgehend einen eigenen Kirchengemeinderat wählte. Dieser, nicht mehr Anhängsel an das Pfarramt in der Illenau, konnte nun in eigener Sache selbständig aktiv werden.

Karl Spitzer (1903–1925 in Achern) war als Pastorationsgeistlicher mit dem Auftrag des Badischen Kirchenpräsidenten nach Achern geschickt worden, der Gemeinde so schnell wie möglich zu einer Kirche zu verhelfen – nach Lage der Dinge konnte das nur ein Neubau sein. Zwei Jahre lang warb er unermüdlich Geld ein: durch den Gustav-Adolf-Verein Spenden und von der Gemeinde eine Ortskirchensteuer. Dagegen gab es erhebliche Widerstände aus Angst vor einer Überschuldung der Gemeinde, bis der Direktor der Glashütte Heinrich Severin dem Pfarrer beisprang und einen Grundsatzbeschluss im Kirchengemeinderat durchbrachte: wenn die Hälfte der geschätzten Bausumme von 90.000 Mark beisammen sei, dürfe mit dem Bau begonnen werden. Von da an ging es mit Riesenschritten ans Werk.

Die Baupläne lieferte Baurat Rudolf Burkhardt, Kirchenbauinspektion in Karlsruhe, der bereits evangelische Kirchen in Waldshut, Karlsruhe und Herbolzheim geplant hatte. Sein Bau gilt allgemein als neoromanisch, ich möchte ihn lieber als wilhelminisch-imperial bezeichnen, denn ähnliche Kirchen wurden in diesen Jahren oft gebaut: von St. Stephan in Oberachern (1903–05) bis in deutsche Kolonien (Christus-Kirche in Windhoek, DSWA, 1907–1910).

Die Acherner Kirche wurde quer zur Allerheiligen-Straße geplant mit dem Haupteingang zur Straße. Der Grundriss zeigt – 26 m lang und 15,5 m breit – ein Schiff von zwei Jochen mit einer Verlängerung um ein halbes Joch über dem Eingang. Im Osten schließt sich der nur schwach eingezogene Altarraum mit geradem Schluss an. Im Süden zieht sich ein Seitenschiff in halber Breite über die beiden östlichen Joche, deren Arkaden aus je gut 6 m weiten Bögen bestehen. Östlich schließt sich ein Turm mit einem Treppenhaus an, das zwei der drei Emporen erschließt; im Norden ragt neben dem dritten Joch ein Anbau heraus: im Parterre ist ein Raum für die Unterweisung der Konfirmanden vorgesehen, darüber soll die Orgel ihren Platz finden. Östlich davor ein niedriger Turm mit einem weiteren Treppenhaus zur Orgelempore und westlich im Winkel zwischen Altarraum und Konfirmandenraum eine Sakristei. Eine klare Kreuzform, wie wir sie bei romanischen Kirchen erwarten, ist in der Christus-Kirche nicht zu erkennen.

Am 3.5.1908 erfolgte die Grundsteinlegung mit einem feierlichen Gottesdienst – der erste Spatenstich war bereits am 24. Februar erfolgt. Im Laufe des Festgottesdienstes wurde im Festungs-artig bewehrten Turm eine Urkunde eingemauert. Karl Spitzer hielt darin eine bemerkenswerte Rückschau: „1521 unterzeichnete der Bürgermeister von Achern den von Markgraf Philipp von Baden, dem Grafen Wilhelm von Fürstenberg und den Vertretern der bäuerlichen Bevölkerung abgeschlossenen Vertrag von Renchen, welcher die Forderung der Kirchenreformation enthielt.

Als im Jahre 1551 die Ortenau von Österreich eingezogen wurde, ward alles evangelische Glaubensleben unterdrückt und die Gegenreformation durchgeführt.“ Rückblickend auf das Jahr 1905 berichtet er, dass es in der Stadt Achern 744, in der Illenau weitere 306 Evangelische gäbe und dass im gesamten Seelsorgebezirk in 18 Ortschaften 1420 Glaubensgenossen lebten.

Rückblick

Es folgt ein Rückblick auf das Wachsen des Kirchbau-Projekts: dass mit der Leitung des Kirchbaus der Architekten Ch.Gambs betraut wurde, dass für die Diözese Rheinbischofsheim der Dekan Hauß aus Kehl zuständig sei und dass das städtische Gemeinwesen von einem Glied der Gemeinde, Bürgermeister W.Schechter, geleitet werde. „Abends 8 Uhr findet im großen Ochsensaal in Achern evangel. Gemeindeabend statt mit Gesangsvorträgen von Frau Bertha Gilg-Karlsruhe“ heißt es am Schluss des Programms des Festgottesdienstes.

Karl Spitzer verfasste aus Anlass der Grundsteinlegung eine Schrift „Aus Acherns Vergangenheit“, in der er „die – wissenschaftlich unhaltbare – Auffassung vertrat, dass irische Alemannen-Missionare Vorläufer der Protestanten waren, somit der Protestantismus in der Region älter sei als der Katholizismus“ (Lötsch). Dass der römisch-katholische Stadtpfarrer Dr. Huck durch seine „Erwiderung“ Protest gegen diese Behauptung einlegte, heißt nicht, dass Spitzers Aussage völlig falsch war. Waren die Protestanten auch Mitte des 19. Jahrhunderts neu in der Ortenau, so ist ihre Kirche ja keine neue; sie ist ein durch die Reformation hindurchgegangener Teil der einen katholischen Kirche und die Protestanten lassen sich ihr Kirche-Sein nicht von der größeren Schwester streitig machen.

Es gibt theologisch keine ältere und keine jüngere Kirche. Was die irischen Missionare angeht: sie hatten einst eine Kirchenstruktur nach Germanien gebracht, die keine so strenge Hierarchie und keine Subordination unter den Papst in Rom kannte wie die von Bonifatius eingeführte Ordnung; soweit konnten sich die Protestanten als eine Rom-freie Kirche tatsächlich den frühen Iren verwandt fühlen. (Es muss jedoch zur Ehrenrettung des Bonifatius gesagt werden, dass angesichts der Bedrohung Europas durch die Araber es ihm als ein Gebot der Stunde erschien, alle Christen Westeuropas unter dem fränkischen König und dem Papst in Rom zu vereinigen und jede Sonderform auszuschalten.) Tatsächlich unhaltbar allerdings wäre eine Auffassung, dass es neben der offiziellen Kirche in und um Achern Jahrhunderte lang eine Untergrundkirche gegeben hätte, die im 19. Jahrhundert mit den ersten Evangelischen wieder ans Licht getreten sei. – Gott sei Dank! Der konfessionelle Friede war durch diese literarische Fehde nur für kurze Zeit getrübt und konnte bald wieder hergestellt werden. Bürgermeister Wilhelm Schechter leistete dazu seinen Beitrag, indem er beide Konfessionen zu Toleranz aufrief: „Unser feierliches Gelöbnis bei dem folgenden Akte soll sein, das von unseren Vätern ererbte Vermächtnis der gegenseitigen Duldsamkeit als unser teuerstes und höchstes Gut zu bewahren.“

Bauzeit

Die Bauzeit zog sich über weniger als einundeinhalb Jahre – für ein so großes Gebäude eine beachtlich kurze Zeit. Am 25.9.1908 konnte das Richtfest gefeiert werden. Als Abschluss ließ Karl Spitzer, der offensichtlich auch gestalterisch die treibende Kraft war, je ein irisches Kreuz auf die Giebel setzen – ein weiteres Zeichen für seinen Anspruch, dass die evangelische Kirche in einem weiten geografischen und historischen Horizont zu sehen ist und sich nicht vor der übermächtigen römisch-katholischen zu verstecken braucht – auch wenn vermutlich kaum jemand diesem Detail Bedeutung zumisst.
Für den 4.3.1909 war die Glockenweihe angesetzt. Schulkinder hatten die drei Glocken, von denen zwei von Familie Severin und eine vom Großherzog gestiftet worden waren, vom Bahnhof zur Kirche geleitet. Die Presse berichtete anerkennend, die Glocken der Christus-Kirche seien mit den Glocken der Stadtkirche harmonisch abgestimmt – auch auf diesem Feld herrschte nun wieder Harmonie.

Am 25.6. war der Einbau der farbigen Glasfenster aus der Werkstatt von Rudolf Yelin abgeschlossen: ein großes im Altarraum – Jesus predigt vor zeitgenössischen Bürgern und Kindern; vier kleine auf der südlichen Empore – Evangelisten-Symbole, die allerdings im 2. Weltkrieg zerstört und durch neue ersetzt wurden. Die Rosette auf der nördlichen Empore war anfangs noch blind und wurde erst 1972 verglast. Die örtliche Zeitung prophezeite: „Die fünf Glasgemälde werden nicht nur den Hauptschmuck der neuen Christuskirche bilden, sondern auch eine große Sehenswürdigkeit unserer Stadt sein.“

Im Juli nahm der Hoforganist Th.Barner aus Karlsruhe die Orgel als gelungen ab. Ihre Lage nahe Altar und Kanzel erfüllte das Wiesbadener Kirchbau-Programm von 1891, während sonst weitgehend das Eisenacher „Regulativ für den evangelischen Kirchenbau“ von 1861 beachtet wurde. Bei einer späteren Renovierung der Kirche wurde sie 1972 auf die Empore über dem Eingang versetzt.

Kurz vor der Einweihung vermeldet die Badische Zeitung als Schenkung „silberne. reichvergoldete Abendmahlsgefäße. Bestehend aus 2 Kelchen, 2 Kannen und 2 Brottellern, ferner ein geschnitztes Altarcruzifix, 2 silberne dreiarmige Altarleuchter, eine gestickte Altardecke aus grünem Tuch, eine gestickte Kniebank für Trauungen …“ sowie Möbel und Bilder für Sakristei und Konfirmandensaal.

Am 12.9.1909 war es dann so weit: Um 10 Uhr sammelten sich Gemeinde und Gäste ein letztes Mal in der Illenau, um dort Abschied zu nehmen. Um 15 Uhr kamen sie zur feierlichen Einweihung zur Christus-Kirche. Da die Bebauung noch nicht so eng war wie heute, bot sich den Ankommenden ein eindrucksvoller Anblick: im Pfarrgarten (der erheblich verkleinert worden war und der schließlich durch die Errichtung des Gemeindehauses der Pfarrer-Familie gänzlich entzogen worden ist) erhob sich der viel gegliederter Bau, zwischen gemauerten Kanten aus Sandstein-Quadern verputzt und weiß gestrichen, von einem quadratischen 45 m hohen Turm mit achtteiliger pyramidaler Haube markant überragt. Als sie zum Portal schritten, fiel ihr Blick auf das Mosaik darüber: Christus mit erhoben ausgestreckten Händen, die Ankommenden willkommen heißend und sie segnend.

Ein gewaltiger Eindruck

„So hatte Achern keine 70 Jahre, nachdem die ersten Evangelischen hierher gezogen waren,eine eigene Kirche“

Der festlich geschmückte Raum machte einen gewaltigen Eindruck auf sie. Zwei Sandstein-Säulen ragten links zwischen Mittel- und Seitenschiff auf und ließen viel Licht über die Empore einströmen. Aus gleichem Material waren die weit gespannten Arkadenbögen und die Gurtbögen, die sich unter der Decke entlang zogen bis zur gegenüber liegenden Wand und dort die Orgelempore einrahmten. Aller Blick aber ging zum Altarraum, zwei Stufen höher als der Raum der Gemeinde. In der Mitte ein Holztisch, festlich geschmückt; links von ihm der Taufstein und rechts die Kanzel, die sich nur wenig über die Köpfe der Gemeinde erhob – „von oben herab“ „die Gemeinde abkanzeln“: das sollte schon rein optisch in dieser Kirche undenkbar sein. Im Zentrum der beiden Joche hingen gewaltige Radleuchter mit je 15 elektrischen Lampen – die Kirche präsentierte sich auf dem neuesten Stand der Technik. Dass es eine Niederdruck-Dampfheizung – das Neuste vom Neuen! – in der Kirche gab, bemerkten die Besucher erst im Winter.

So hatte Achern keine 70 Jahre, nachdem die ersten Evangelischen hierher gezogen waren, um den Preis von 92.000 Mark eine eigene Kirche – und was für eine! Nicht nur, dass sie 600 Sitzplätze hatte, die bei der Einweihungsfeier nicht ausreichten; ihr Turm überragt bis heute die Stadt und auch die beiden römisch-katholischen Nachbarkirche so beträchtlich, dass mancher Fremde denkt, sie sei die Hauptkirche der Stadt.

Doch nicht um ihrer selbst willen reckt er sich in den Himmel –
er weist auf den, der das Haupt ist der Gemeinde und dessen
Namen die Kirche trägt:
Jesus, der Christus Gottes.

Karl Spitzer, immer noch Vikar und als Pastoratsgeistlicher eingesetzt, hatte ein Werk geschaffen, der die langjährigen Wünsche der Gemeinde zur Erfüllung brachte und ihm selbst eine anhaltende Erinnerung in der Gemeinde bescherte. Er wird es als Anerkennung empfunden haben, dass Großherzog Friedrich II. am 24.2.1910 schrieb: „Ich fühle mich auf den Vortrag des Evangelischen Oberkirchenrates vom 23.2.1910 gnädigst bewogen, den von der Kirchengemeinde Achern aus den sechs vorhandenen und bezeichneten Bewerbern gewählten und präsentierten Pfarrverwalter Karl Spitzer in Achern zum Pfarrer daselbst zu ernennen.“ Dr. Rainer Haas

Fenster

Rudolf Yelin (1864-1940)  wurde am 14. August 1864 in Reutlingen in ein gutbürgerliches protestantisches Elternhaus hinein geboren.Sein Vater und seine Mutter stammten aus Pfarrhäusern. So wurde der Junge nicht nur früh künstlerisch gefördert, sondern auch für eine theologische Laufbahn bestimmt.

Nach seinem Abitur in einem theologischen Seminar begann er ein Studium im Tübinger Theologischen Stift – das er nach einem Semester abbrach. Es setzte sich die künstlerische Berufung durch und er studierte nun an der Kunstakademie München und der Kunstschule des Städelschen Institutes in Frankfurt. Mit 26 Jahren begann er seinen Weg als selbständiger Künstler.

Sein erster größerer Auf­trag waren die Wandmalereien der Stiftskirche in Stuttgart. In dieser Stadt ließ er sich dann mit seiner Familie nieder. Rudolf Yelin konnte sich dank seiner theologischen Ausbildung schnell in der sakralen Kunst einen Namen machen. Neben Wandmalereien waren es vor allem Entwürfe und Kartons (originalgroße Zeichnungen) für Glasmalereien, die ihm zu Ansehen verhalfen. Die Ausführung dieser Werke übernahmen verschiedene Werkstätten. In der Stuttgarter Werkstatt von Valentin Saile hatte er die Möglichkeit, selbst das Schwarzlot auf das Glas aufzutragen. Zwischen 1895 und 1927 lieferte er zahlreiche Werke „in fast alle Teile Deutschlands“. Seiner von Beginn an naturnahen Malerei blieb Yelin sein ganzes künstlerisches Leben lang treu (1).

Die Glasmalereien der Christuskirche in Achern

Erst 1892 wurde die evangelische Gemeinde Achern gegründet, 1908/09 errichtete sie sich ihre Christuskirche. Fünf Fenster erhielten damals Glasmalereien nach Entwürfen Rudolf Yelins, die in der Offenburger Werkstatt Adolf Schell & Otto Vittali ausgeführt wurden. Vier Rundfenster zeigen die vier Evangelisten in doppelter Form. Zum Einen sind sie in menschlicher Gestalt abgebildet, und da es keine historischen Portraits von diesen Männern gibt, entspringt ihr Aussehen der Phantasie des Künstlers. Im „Christlichen Kunstblatt“ werden sie als „Typen deutscher Männlichkeit“ charakterisiert (2). Damit sie trotzdem erkannt werden können, steht ihr Name in großen Buchstaben daneben. Zum Anderen sind sie als so genannte „Evangelistensymbole“ dargestellt: Matthäus als geflügelter Mensch, Markus als geflügelter Löwe, Lukas als geflügelter Stier und Johannes als Adler. Diese Symbole werden auch als „Apokalyptische Tiere“ bezeichnet, da sie der „Apokalypse“, der Offenbarung des Johannes, entnommen sind (Off. 4,7).

 

Für das Chorwandfenster wurde eine Darstellung der Bergpredigt gewählt nach dem Evangelium des Matthäus, Kapitel 5 bis 7: Während seiner Reise durch Galiläa, ging Jesus auf einen Berg, setzte sich und hielt „dem Volk“ eine Rede. Die Glasmalerei zeigt jedoch einen stehenden Christus – das ist für ein Bild der Bergpredigt sehr ungewöhnlich. Es erinnert daher auch an die so genannte Feldrede Jesu nach dem Evangelium des Lukas, 6,20-49. Diese Szene findet allerdings in einer Ebene statt, vor einem Berg. Auffallend ist auch, dass Christus nicht zu den Menschen, die sich am Berg versammelt haben spricht, sondern aus dem Bild hinaus in die Gemeinde der Christuskirche blickt.Mit seiner rechten Hand weist er nach oben, zu unserem Vater im Himmel. Es könnte also sein, dass der Künstler Jesus dargestellt hat, als er das Vaterunser lehrt. Das Vaterunser steht im Mittelpunkt der Bergpredigt und wird heute noch in jedem Gottesdienst gebetet. Ein Hinweis darauf ist auch der sitzende Mann unten rechts, der seine Hände zum Gebet gefaltet hat.

Berge und Pflanzen

Wenn man genauer hinsieht, erkennt man, dass das Bild keine Landschaft Galiläas zeigt, sondern Berge und Pflanzen, die eher in der näheren Umgebung Acherns zu finden sind. Der Künstler hat Christus aus dem historischen Kontext herausgenommen und in die Welt der Auftraggeber hineingestellt. Jesus trägt zwar ein zeitloses Gewand, auch die Menschen um ihn herum sind altertümlich gekleidet, doch haben deutlich Elemente des frühen 20. Jahrhunderts Eingang gefunden: Die Gesichter der Jünger und Jüngerinnen tragen die Züge der Menschen um 1900. Zum Teil sind es Portraits der Stifter der Glasmalereien und ihrer Kinder, die nach Fotografien auf Glas gemalt wurden. Eine Signatur belegt die Stiftung durch Mitglieder der evangelischen Gemeinde Achern. Durch ihre moderne Ausstrahlung fallen insbesondere die beiden knienden Frauen unten links, der vorne sitzende junge Mann und die hinter ihm stehende Frau mit Kind auf. Die übrigen Zuhörer könnten ebenfalls Gemeinden des Schwarzwaldes entstammen.

Unter den Skizzen Rudolf Yelins befinden sich zahlreiche Kopfstudien mit markanten Gesichtern, die er auch in seine religiösen Bilder einsetzte. Der betende sitzende Mann soll ein Selbstbildnis des Künstlers sein.

Für die evangelische Kirche in Reinerzau bei Alpirsbach malte Yelin 1912 die „Bergpredigt im Schwarzwald“ auf eine Leinwand. Hier sitzt Christus auf einem flachen Felsen, um den die Zuhörer, genau wie in Achern, stehen und sitzen. Auch ein Kind mit buntem Blumenstrauß ist im Vordergrund zu sehen. Die Männer und Frauen tragen allerdings ihre zeitgenössische bäuerliche Tracht.

Achern war seit 1808 eine Stadt, so dass es nicht gepasst hätte, die Stifter als Bauern darzustellen. In moderner städtischer Kleidung sind die Zuhörer der Bergpredigt hingegen kaum vorstellbar. So schuf der Künstler einen Kompromiss mit edlen Gewändern in historischen Formen.

„Christus lehrt der evangelischen Gemeinde in Achern das Vaterunser“ – so könnte der Titel des Chorfensters lauten. Jesus verkündet Gottes Wort aber nicht nur der im Bild versammelten früheren Gemeinde. Mit seiner Hinwendung zum Kirchenraum werden die Gottesdienstbesucher jeden Tag aufs neue direkt angesprochen. Unsere Vorfahren, die vor 100 Jahren diese Kirche errichteten, haben in den Glasmalereien ihren Glauben bezeugt und dafür gesorgt, dass auch uns Jesus im wahrsten Sinne des Wortes als das Licht der Welt erscheint.

Literatur:
(1) Bodo Cichy, Rudolf Yelin 1864-1940, seine Zeit, sein Leben, sein Werk, Stuttgart 1987.
(2) Das „Christliche Kunstblatt“, hrsg. von David Koch, 51. Jg., Oktober 1909, Seite 308.

Dr. Anke Sommer

Glocken

Weihung
Am 3. März 1909 weihte Karl Spitzer die drei Glocken auf dem Kirchplatz.

Der Evang. Kirchengemeinderat Achern mit Pfarrer Karl Ludwig Spitzer lud »die Mitglieder der Kirchengemeindeversammlung und der evang. Gemeinde« ein auf Donnerstag, 4. März 1909, nachmittags zur feierlichen Glockenweihe der drei neuen Glocken um 4 ¼ Uhr vor der Christuskirche.

Die evang. Schuljugend nahm die neuen Bronzeglocken um 4 Uhr im »Hauptbahnhof« in Empfang und geleitete sie durch die Hauptstraße hindurch zum Kirchplatz. Die Feier damals endete mit dem Choral: »Großer Gott, wir loben dich!« – Die Glocken waren in der Glockengießerei Bachert in Karlsruhe gegossen worden, der Gesamtbetrag der Rechnung belief sich auf 4.726 Mark (man vergleiche: der Monatslohn eines Arbeiters damals betrug etwa 100 Mark). – Pfarrer Spitzer predigte zum Wort Jeremia 22,29: »Oh Land, Land, Land – höre des HERRN Wort!« – Am 12. September 1909 dann konnte die Christuskirche feierlich eingeweiht werden.

Die F-Glocke

Die F-Glocke, gestiftet von der Familie Heinrich Severin, wog 820 kg und trug die Aufschrift: »So halten wir denn nun dafür, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben!« (Röm. 3,28).

Die as-Glocke

Die as-Glocke, ebenfalls gestiftet von der Familie Heinrich Severin, wog 510 kg und trug die Aufschrift: »Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben!« (Joh.3,16).

Die c-Glocke

Die c-Glocke, „gestiftet von Seiner Königlichen Hoheit Großherzog Friedrich II. von Baden, wog 240 kg und trug die Inschrift: »Christus ist unser Friede!« (Eph. 2,14). Kriegsbedingt – innerhalb des Ersten Weltkriegs (1914-1918) – hieß es am 7. Juli 1917 von den beiden großen Glocken Abschied nehmen, die dritte Glocke (die Friedensglocke) zog nicht mit hinaus!

Toni Rothmund dichtete damals dazu:

»Nun schweben sie herab von ihrem Firn,
und rüsten sich, im letzten Kampf zu streiten,
Die unser thöricht kleines Menschenhirn
Dort oben fest gewähnt für alle Zeiten …

„O höre Land, Land, Land des Herren Wort!“
So jubelten sie einst mit hellen Zungen.
Weit übers Achertal von Ort zu Ort
Ist wohl ihr nimmermüder Ruf geklungen.

In unsern bangen Sorgen fort und fort
Hat er uns Trost und Mut ins Herz gesungen.
Zu allerletzt noch galt ihr Klang den Wunden,
Der krank am Kriege, Frieden hat gefunden.

„Christus ist unser Friede!“
So tönt der dritten Glocke süßer Klang,
die zieht nicht mit hinaus ins Kampfgebrause.
Die Christusglocke bleibt in Not und Drang,
die kämpft mit uns, den treuen, hier zu Hause.
Bis alle Not von unsern Herzen sprang
singt sie allein und ruft in jede Klause:
„Ob noch so wild der heiße Kampf hinieden,
O seid getrost, Christus ist unser Frieden!“«

Die beiden großen Bronze-Glocken wurden beschlagnahmt und gelangten in die Bleihütte Call in der Eifel.In der dortigen Glocken-Sammelstelle sind sie (wie viele andere Glocken ebenso) vor dem 13. Februar 1919 eingeschmolzen worden, um für Kriegsgeräte umfunktioniert zu werden.

Zwei neue Glocken

Nach Kriegsende sammelte Pfarrer Spitzer für zwei neue Glocken – zwei Sammellisten aus damaliger Zeit befinden sich im Pfarramt-Archiv. Der Liefervertrag mit der Glockengießerei Bachert stammt vom 24. Dez. 1919 und sieht zwei neue Glocken vor: wiederum eine F-Glocke von 820 kg und dem Bibelwort Röm. 3,28 und eine as-Glocke von 510 kg und dem Bibelwort Joh. 3,16. Die F-Glocke wurde erneut von der Familie Heinrich Severin gestiftet, die as-Glocke von Frau Benz-Meisel. Beide Glocken wurden mit 39.900 Mark berechnet. Das Gutachten vom Orgelkommissariat in Karlruhe vom 21. Juli 1920 über die Glockenprüfung am 17. Juli bestätigt: »Die neuen Glocken … sind vorzüglich gelungen.« Am 26. Juli 1920, abends um 6 Uhr wurden die beiden neuen Bronzeglocken von der Schuljugend im Bahnhof eingeholt und anschließend von Pfarrer Spitzer auf dem Kirchplatz geweiht. Dabei wurde ein niederländisches Volkslied zitiert, in der ersten Strophe heißt es: »Wir treten zum Beten vor Gott / der so mächtig, gewaltig und heilig die Kirche regiert / der richtend und rettend, wunderbar und prächtig / aus Nöten und Verfolgung sie huldreich geführt.« – Zum Beschluss der Glockenweihe wurde gesungen: »Großer Gott, wir loben dich!«. Innerhalb des Zweiten Weltkrieges, auf Anordnung der NS-Regierung vom 18.

Friedensglocke

April 1940 – wurden die beiden großen Bronzeglocken am 20. Mai 1942 wiederum zweites Mal beschlagnahmt – allein die kleine Glocke: die Friedensglocke verblieb der Gemeinde. Der Ausbau der Glocken aus dem Kirchturm heraus erfolgte so überraschend-schnell, dass nicht einmal mehr eine feierliche Verabschiedung erfolgen konnte.

Die kleine Friedensglocke gelangte schließlich auf verschiedenen Wegen im Jahre 1964 nach Köndringen und wurde zum Preis von 1.620 DM an die dortige evang. Kirchengemeinde verkauft. Diese, vom Großherzog Friedrich II. im Jahre 1909 gestiftete, kleine Glocke läutet bis heute neben den drei weiteren Glocken in der evang. Kirche in Köndringen (bei Emmendingen)! Sie hat also zwei Weltkriege überdauert und dient der Christenheit bis heute! Am 23. Dez. 1951, am 4. Advent wurden schließlich die drei neuen, bis heute erhaltenen Stahlglocken im Gottesdienst um »1/2 10 Uhr« durch Oberkirchenrat Dürr eingeweiht. Diese Glocken sind auf die Töne G – B – C abgestimmt und in Bochum gegossen worden. Fuhrunternehmer Bürck übernahm damals den Transport. (Die Friedensglocke aus Bronze passte nicht mehr zu den neuen Stahlglocken).

Abendglocke

Die größte Glocke: G, die Abendglocke, hat einen Durchmesser von 118 cm und wiegt 820 kg. Sie trägt die Inschrift: »Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden!«

Vater-unser-Glocke

Die zweite Glocke: B, die Vater-Unser-Glocke, besitzt einen Durchmesser von 99,5 cm und wiegt 500 kg. Sie trägt die Inschrift: »Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit!«

Taufglocke

Die kleinste Glocke: C, die Taufglocke umfasst einen Durchmesser von 89 cm und wiegt 361 kg. Sie trägt die Inschrift: »Lasset die Kindlein zu mir kommen!«

Als alle drei Glocken am 4. Advent 1951 erstmals gemeinsam geläutet wurden, stimmte die Gemeinde das Loblied an: »Nun danket alle Gott!« Oberkirchenrat Dürr (Zitat) »ermahnte die Gemeindeglieder in ernsten Worten, nun auch treu ihrem Ruf zu folgen: des Abends beim Läuten der Betglocke stille zu werden und, wo es sich irgend machen läßt, die Familie zum Gebet zu sammeln. Beim Läuten der Vater-Unser-Glocke in der Kirche sollen auch die Daheimgebliebenen ihre Arbeit unterbrechen oder ihr Radio abstellen und die Hände falten und sich still der Fürbitte der Gemeinde anschließen. Und endlich sollen die Eltern beim Ruf der Taufglocke der ernsten Verpflichtung gedenken, daß sie die Kinder dem Heiland darbringen und sie aufziehen in der Zucht und Vermahnung zum Herrn.« (Ende des Zitats). Der Zeitungsartikel äußert den Wunsch: »Mögen die Glocken nun recht lange im Frieden zum Segen der Gemeinde und zur Ehre Gottes läuten dürfen!« Die »Acherner Zeitung« vom 29. Dez. 1951 vermerkt: »Der Zusammenhang aller drei Glocken ist voll, weich und harmonisch und lässt die Untertöne kräftig mitschwingen.

Auch mit den Glocken der kath. Stadtpfarrkirche stimmen die neuen Glocken gut zusammen …« (Zitat-Ende). Die neuen Glocken von 1951 kosteten 10.200 DM und konnten durch Spendengelder finanziert werden.

Läuteordnung

An jedem Abend (außer am Samstag) läutet die Gebetsglocke in unserer Christuskirche kurz vor 18 Uhr für die Zeit von drei Minuten, um einzuladen zum persönlichen Gebet. Am Samstag erklingen für die Zeit von fünf Minuten alle drei Glocken kurz vor 18 Uhr, um den folgenden Sonntag einzuläuten.

Mit Rücksicht auf die Nachtruhe erklingt nachts allein der Stundenschlag der Uhr, und dies in abgedämpfter Weise unterhalb der erlaubten Lautstärke von 65 Dezibel. Am 2. Dezember 2009 nun beschloss der Kirchengemeinderat eine differenzierte Läuteordnung: Danach läuten alle drei Glocken zu den Gottesdiensten an den jeweiligen Sonn- und Feiertagen im gesamten Kirchenjahr – ausgenommen davon ist allerdings die Adventszeit und die Passionszeit, wo allein mit zwei Glocken geläutet wird. Nach Ablauf der Adventszeit ertönt also erst an Heilig-Abend und zum anderen nach Ende der Passionszeit erst in der Osternacht wieder das volle Glockengeläut.

Im Falle von Kasualien, also anlässlich von Taufen, Trauungen und Bestattungen, erklingt kein volles Geläut. Vor Beginn einer Trauerfeier auf dem Acherner Friedhof wie auf den benachbarten Friedhöfen (zum Beispiel in Lauf oder in Großweier) wird eine Glocke der Christuskirche für die Zeit von drei Minuten läuten.

Dr. Hans-Gerd Krabbe

Orgel

Die Acherner Orgel umfasst 19 Register und 1.350 Pfeifen!

Die im Jahre 1942 eingeweihte Orgel der Strasburger Orgel-Werkstätte Muhleisen wurde im August-September 2012 erstmals generalsaniert.

Pfarrer der Christuskirche

Seit der Gründung der evangelischen Stadtpfarrei mit der Christuskirche haben bislang acht Pfarrer und eine Pfarrerin die Pfarrei geleitet und mit ihrer seelsorgerischen Arbeit bereichert:

1910 – 1925

Karl Ludwig Spitzer 1910 – 1925

1925 – 1935

Hans Koch 1925 – 1935

1935 – 1947

Herbert Wettmann 1935 – 1947

1947 – 1968

Walter Schmitthenner 1947 – 1968

1969 – 1976

Dieter Oloff 1969 – 1976

1977 – 1995

Dr. Gerhard Lötsch 1977 – 1995

1995 – 2007

Matthias Uhlig 1995 – 2007

2009 – 2019

Dr. Hans-Gerd Krabbe 2009 – 2019

2009 – 2019

Renate Müller-Krabbe 2009 – 2019

Erinnerungen an historische Ereignisse

100 Jahre Bau Christuskirche

Im Jahre des Heils eintausend neunhundert und acht, am Sonntag Misericordias Domini den 3. Mai, im 100. (Jahr) der Erhebung des Dorfes Achern zur Stadt wurde der Grundstein dieser Kirche gelegt.
Möge unter der Obhut des allmächtigen Gottes und den Segnungen des Friedens der Bau ohne Unfall seiner Vollendung entgegenschreiten; möge dieses Gotteshaus der lange Jahrhunderte dauernde Mittelpunkt sein, um den sich alle evangelischen Christen Acherns und seiner Nachbarorte vereinigen, eine gern besuchte Stätte gemeinsamer Andacht und Erbauung, der Erhebung über die Sorgen und Nöte des Alltagslebens, der Stärkung für heiligen Lebensernst und christlichen Wandel, ein Hort der köstlichen Güter der Reformation: des Bibelglaubens und der Gewissensfreiheit, ein Wahrzeichen des kirchlichen Sinnes, mit dem das Werk unternommen ward, eine weithin sichtbare Mahnung an das jetzige und jedes kommende Geschlecht, sich zu einem heiligen Tempel zu erbauen, an welchem Jesus Christus der Eckstein ist und festzustehen auf dem für alle Zeiten gelegten Grunde.

Das walte Gott! Achern, den 3. Mai 1908

Der Evangelische Kirchengemeinderat

Karl Spitzer, Pfarrverwalter
Friedrich Brandt, Anstaltsgeistlicher
Friedrich Peter
Adolf Armbruster
Albert Vollmer
Karl Roß
Heinrich Finkbeiner
Florentin Ziegler


Mit der Grundsteinlegung am 3. Mai 1908 – der erste Spatenstich erfolgte bereits am 24. Februar 1908 – beginnt das mutige Werk der jungen Kirchengemeinde in Achern eine evangelische Kirche zu bauen, die 450 Sitzplätze bietet und die dennoch erst „1420 evangelische Glaubensgenossen“ in 18 Ortschaften zu ihrem Seelsorgebezirk zählt. Mit dem Auszug aus der Urkunde möchten wir das einhundertjährige Jubiläum des Kirchenbaus einläuten. Bis die Christuskirche eingeweiht werden wird, vergehen noch weitere 16 Monate.

Am 12. September 1909 war es soweit, dass der erste Gottesdienst mit der Festpredigt über Hebr. 13,8 „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“ gefeiert werden konnte. Zwischen Grundsteinlegung und Einweihung liegen weitere bedeutende Daten der Baugeschichte:

04.03.1909

Glockenweihe In dem Zeitungsartikel dazu heißt es: „Die Glocken der Christuskirche sind mit den Glocken der katholischen Stadtkirche harmonisch abgestimmt, sodass es, wenn sie gleichzeitig erklingen, ein melodisches Geläute gibt. Möge die Harmonie des Geläutes (…) unter der Hohenzollerndevise „Jedem das Seine“ für die Bewohner der Stadt Achern und ihrer Umgebung eine symbolische Deutung allezeit finden können.“

25.06.1909

Am 25. Juni 1909 war in der Zeitung zu lesen: „Die Christuskirche in Achern erhielt einen prächtigen Schmuck durch die gemalten Glasfenster, die dieser Tage eingesetzt wurden. (…) Die fünf Glasgemälde werden nicht nur den Hauptschmuck der neuen Christuskirche bilden, sondern auch eine große Sehenswürdigkeit unserer Stadt sein.“

06.1909

Kaum einen Monat später, im Juli 1909, wird der ordnungsgemäße Einbau der Orgel durch Herrn Hoforganist Th. Barner aus Karlsruhe bestätigt.
Und endlich konnte für den 12. September zur Kirchweih geladen werden. Die Bauzeit wollen wir im Abstand von 100 Jahren begleiten und feiern. Dazu werden wir Sie zu Konzerten und Vorträgen, zu Gottesdiensten und vielem mehr einladen.
Vielleicht gelingt es uns auch eine Ausstellung mit Bildern aus dem Gemeindeleben zu organisieren. Dazu suchen wir alte Fotografien von Konfirmationen, Hochzeiten und anderen Festen in und um die Kirche. Wenn Sie im Besitz von solchen Dokumenten sind, dann lassen Sie es uns wissen, wir werden sorgsam damit umgehen und in geeigneter Weise veröffentlichen.