Predigt zu meiner Verabschiedung - 28. Juli 2019 (Renate Müller-Krabbe)

Predigt zu meiner Verabschiedung am 28.07.2019 Achern

Liebe Gemeinde,

kleiner bin ich geworden in den letzten zehn Jahren. Deutlich wurde es mir, als ich den Rock anziehen wollte, den ich vor 10 Jahren bei meiner Einführung getragen habe. Der Zahn der Zeit nagt an mir. Das gefällt mir nicht, aber es ist unausweichlich.

Nun heißt es, Abschied zu nehmen von meinem Beruf, der 39 Jahre lang mein Leben geprägt hat und zwar nicht nur mein Leben, sondern das meiner ganzen Familie.

Ich frage mich immer wieder: Was hat mich dazu gebracht, diesen Beruf zu ergreifen und dann auch durchzuhalten?

Vielleicht ist das schon die falsche Frage. Sie bleibt bei meinem Wollen stehen und lässt außer acht, dass ich auf diesen Weg geführt wurde. Es gab für mich wahrlich genug andere Möglichkeiten.
Auf diesem Weg haben mich von Anfang an viele unterschiedliche Menschen begleitet, mich unterstützt und mir geholfen, wenn ich selbst nicht mehr genau wusste, wie es weitergehen könnte. Manche wissen wahrscheinlich gar nicht, wie sehr sie mich beeinflusst und geprägt haben.
Aufgewachsen bin ich in einem kleinen Dorf bei Pforzheim. In Pforzheim machte ich mein Abitur an einem Mädchengymnasium. Pforzheim ist eine in den letzten Kriegstagen zerbombte Stadt, die dann aber nach dem Krieg - also in der Zeit, in der ich aufwuchs - sehr schnell zu einer wohlhabenden „Goldstadt“ wurde.

Warum erzähle ich das? Jeder/jede von uns wird geprägt durch die gesellschaftlichen, sozialen, kulturellen und religiösen Verhältnisse, in denen man lebt.

Von Kindheit an spürte ich: Die Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde ist für mich wichtig. Und: Ich habe gelernt: Wir alle müssen - früher oder später - die Folgen unsres Tuns oder Lassens tragen. Wir sind vor Gott verantwortlich, wie wir in dieser Welt leben. In wie vielen heißen Diskussionen habe ich mit anderen über diese Fragen nachgedacht.

Als Säugling wurde ich getauft. Selbstverständlich war: ab drei Jahren ging ich in den Kindergottesdienst, in der Schule in den Religionsunterricht und dann in den Konfirmandenunterricht, samt Christenlehre.

Den „kleinen Katechismus“ von Martin Luther mussten wir im KU auswendig lernen. Ich kann die einzelnen Fragen und Antworten heute nicht mehr aufsagen. Doch ich spüre, wie sehr ich den Inhalt dieses Katechismus verinnerlicht habe.

Bei meiner Einführung hier in die Gemeinde vor über zehn Jahren war die Taufe Jesu der vorgegebene Predigttext. Taufgedächtnis ist das Thema an diesem Sonntag. Das ist kein Zufall, sondern erinnert mich/uns an das, was grundlegend im Leben eines Christen ist:
Die Taufe.

Die Taufe ist kein nettes harmloses Familienfest, kein Event, das ansprechend gestaltet werden muss, damit es den Leuten Spaß macht.
In meiner religiösen Entwicklung ist mir haften geblieben, dass die Taufe eine heilige Handlung ist, die nur Sinn hat, wenn die Beteiligten dies aus innerer Überzeugung heraus tun.
Was ist die Taufe? - Fragt Martin Luther in seinem Katechismus.

„Die Taufe ist nicht allein schlicht Wasser, sondern sie ist das Wasser in Gottes Gebot gefasst und mit Gottes Wort verbunden.“

Was gibt oder nützt die Taufe?

Sie wirkt Vergebung der Sünden,
erlöst vom Tode und Teufel
und gibt die ewige Seligkeit allen, die es glauben,
wie die Worte und Verheißung Gottes lauten.


Welches sind denn solche Worte und Verheißung Gottes?

Unser Herr Christus spricht
bei Markus im letzten Kapitel:
Wer da glaubt und getauft wird,
der wird selig werden;
Wer aber nicht glaubt,
der wird verdammt werden.“

Das sind starke Worte, die wir nicht einfach verharmlosen dürfen. Es geht um unser ewiges Seelenheil.

Wie kann Wasser solch große Dinge tun?

Wasser tut`s freilich nicht,
sondern das Wort Gottes,
das mit und bei dem Wasser ist,
und der Glaube,
der solchem Worte Gottes im Wasser traut.
Denn ohne Gottes Wort
ist das Wasser schlicht Wasser und keine Taufe;
Aber mit dem Wort Gottes ist’s eine Taufe,
das ist ein gnadenreiches Wasser des Lebens
und ein Bad der neuen Geburt im Heiligen Geist;
Wie Paulus sagt zu Titus im dritten Kapitel:
Gott macht uns selig
Durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist,
den er über uns reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus, unseren Heiland, damit
wir, durch dessen Gnade gerecht geworden, Erben des ewigen Lebens würden nach
unserer Hoffnung.
Das ist gewißlich wahr.“

So gesehen ist die Taufe ein tiefgreifendes Ereignis im Leben eines Menschen. Wer als Kind getauft wird, braucht Menschen, die lehren und vorleben, was es bedeutet getauft zu sein. Es ist Aufgabe der Gemeinde, dafür einzustehen, dafür zu sorgen.

Taufe und Glauben gehören zusammen. Wenn wir das nicht mehr ernst nehmen, zerstören wir das Fundament unserer Religion.

Ich bin sichtbar körperlich geschrumpft in den letzten Jahren; Zahn der Zeit. Die Zahlen der Gläubigen sind auch geschrumpft, Zeichen für die zunehmende Bedeutungslosigkeit der christlichen Religion.

Viele Getaufte kennen ihren Glauben nicht und halten es auch nicht für nötig, sich an Gott zu binden, zu beten, nach seinen Geboten zu fragen und unter seinem Wort zu leben. Teilweise werden sie es nicht mehr gelehrt. Als guter Konfirmandenunterricht gilt inzwischen, wenn die Konfirmanden nichts mehr auswendig lernen müssen, wenn der Unterricht cool ist.

Ich hab in meiner Konfirmandenzeit auch nicht gerne auswendig gelernt. Doch heute weiß ich, dass dieses Lernen ein innerliches Gerüst aufgebaut hat, das mich bis jetzt hält und trägt.

Wir Christen haben die schöne Aufgabe, die frohe und befreiende Botschaft von Jesus Christus in die Welt zu tragen. Unsere so unruhige und gewaltbereite Welt ( beginnt mit der Sprache) braucht Menschen, die sich vor Gott verantwortlich fühlen und das anderen überzeugend weitersagen. Unsere scheinbar so liberale und freiheitliche Welt ist alles andere als frei. Wir unterwerfen uns inzwischen so vielen Zwängen und wissen nicht, wer dahinter steckt.

Freiheit ohne Bindung an Gott, dem Schöpfer und Erhalter dieser Welt, ist eine trügerische Freiheit. Im Laufe der Jahre habe ich immer wieder Menschen getroffen, die stark waren, weil sie Gott vertraut haben. Sie machten nicht bei jedem gesellschaftlichen Trend mit, weil sie genau spürten, dass ihnen das nicht gut tut und nicht zu ihrem Seelenheil beiträgt. Aus dieser inneren Stärke heraus konnten sie gute, wie schwierige und traurige Lebenserfahrungen bewältigen. Sie sind nicht nur mir Vorbild geworden. Wie oft hat mich persönlich das Lied von Paul Gerhardt getröstet:

„Befiehl du deine Wege
und was dein Herze kränkt der allerneusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der
Wolken. Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein
Fuß gehen kann.“

Wir müssen unseren Glauben nicht einpassen in den Zeitgeist und ihn auch nicht
anpreisen, wie Sauerbier, sondern vorleben und uns bewusst sein: Der Glaube macht uns
selig und zu Erben des Gottesreiches.

Ich gehe in einen neuen Lebensabschnitt, verlasse als Pfarrerin diese Gemeinde, die mir
in den letzten Jahren ans Herz gewachsen ist, aber ich bleibe mit meinen
Glaubensgeschwistern innerlich verbunden.
Amen.

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